Freitag, 20. September 2013

Album-Vorstellung: Peter Gabriel "And I'll Scratch Yours"

Peter Gabriel
"Wie du mir, so ich dir!"

Ganz dieser Devise entsprechend hatte Peter Gabriel vor einigen Jahren die Vision zweier Konzeptalben, die wie Ying und Yang ineinandergreifen sollten. Eine einfache Coverplatte, bei der Gabriel Songs zeitgenössischer Musiker und alter Wegbegleiter neu interpretiert, das wäre an sich noch nichts Neues gewesen, hatten sich daran doch bereits Urgesteine der Branche wie Johnny Cash (American Reihe), Marianne Faithfull (Easy Come Easy Go) oder Patti Smith (Twelve) versucht. Nein, in Gabriel reifte ein wesentlich umfangreichender Plan heran, als er sich an die Arbeit zu seinem 2010er Werk "Scratch My Back" machte. Und zwar hatte sich das ehemalige Genesis-Mastermind fest in den Kopf gesetzt, jenen Künstler, deren Stücke er sich ausgesucht hatte, um sie in seinem ganz eigenen Glanz erstrahlen zu lassen, gleichzeitig auch das Versprechen zu entlocken, sich genau dafür später zu revangieren. Geradezu tollkühn klingt diese Idee, wenn man bedenkt, wer da alles auf der Liste stand. Neben zeitgenössischen Größen wie den Indiegöttern von Arcade Fire, der charmanten Pianistin Regina Spektor oder den Britpoppern von Elbow, nahm sich Gabriel auch unerschrocken dem Erbe seiner Kollegen Bowie, Eno, Simon, Reed, Byrne und dem anderer an. Das Ergebnis dieses Wagemuts erwies sich dann schließlich als derart phänomenal, dass es für den mittlerweile 63-Jährigen unzählige positive Kritiken hagelte. Unter ziemlichem Zugzwang stehend widmen sich nun die Originalinterpreten der Titel von "Scratch My Back", trotz voller Terminkalender und zahlreicher laufender Projekte, den musikalischen Hinterlassenschaften Gabriels und lassen diese, wie Phönix aus der Asche auferstehen. Einzig Radiohead und Altrocker Neil Young werden dabei durch die Kanadierin Leslie Feist und die Folkband Timber Timbre sowie das Stimmenwunder Joseph Arthur ersetzt. Zeit, dass wir uns "And I'll Scratch Yours", dem Gegenentwurf zu "Scratch My Back", behutsam Track by Track annähern.

"And I'll Scratch Yours"
Hatte Gabriel den Klassiker "Listening Head" der Talking Heads auf "Scratch My Back" recht bescheiden und reduziert wirken lassen, schlägt David Byrne nun mit einem fulminanten "I Don't Remember" zurück und zwängt so das punkige Original in ein glitzerndes Discokleidchen. Während die Hüften noch sinnlich vor sich hin kreisen, erschallen aus der Ferne zarte Folk-Arrangements von Bon Iver. Sie bedanken sich für das episch aufgewertete "Flume" mit einem herrlich andersartigen "Come Talk To Me", welches den Klassiker vom Album "Us" (1992) in ein nahezu heimeliges Licht taucht. Weiter geht es mit Regina Spektor und ihrem Entwurf zu "Blood Of Eden". Der Track fängt auf magische Weise den Charakter seines Vorbilds ein und wärmt sich in dessem eingängigen Songwriting. Futuristisch wird es mit Stephin Merritt von The Magnetic Fields und dem durch sämtliche Stimmenverzerrer und Synthiekanäle gejagten "Not One Of Us". Verrückt wie die Blaupause Gabriels und doch völlig anders. Neuzugang Joseph Arthur beweist, dass man nicht unbedingt von Gabriel gecovert worden sein muss, um auf "And I'll Scratch Yours" mit seinem Beitrag zu beeindrucken. "Shot The Monkey" wirft den New-Wave-Mantel seiner Vergangenheit ab und rennt nahezu nackt durch eine raue, kühle Soundlandschaft. Gänsehaut ist da vorprogrammiert.
"Scratch My Back And I'll Scratch Yours" (Deluxe Edition)
Und irgendwie bekommt die ständig wiederkehrende Zeile "Cover Me" dann auch noch einen ironischen Beigeschmack. Kein Geringerer als der Grammy- und Oscar-Preisträger Randy Newman peppt die Kompilation anschließend mit einer gehörigen Prise Jazz auf. "Big Time" steht Pate für das breite Grinsen auf den Lippen eines alten, zufriedenen Mannes. Kurz darauf verdeutlichen Arcade Fire mit "Games Without Frontiers", dass sie die momentanen Herrscher über die akustische Üppigkeit sind und sich doch ebenso durch eine grazile Genialität auszeichnen. Gleichzeitig bleiben sie jedoch der Vorlage von Herrn Gabriel erstaunlich treu. Elbow verwandeln das wunderschöne "Mercy Street" in ein subtiles Klanggedicht, wohingegen Brian Eno "Mother Of Violence" durch ein psychedelisches Kaleidoskop betrachtet. Sein einst mit Kate Bush eingesungenes "Don't Give Up" vertraut Peter Gabriel dem Können von Leslie Feist und Timber Timbre an, bei denen der Song wahrlich in guten Händen zu sein scheint, denn schon nach wenigen Takten versprüht dieser eine ungeahnte Laszivität, die sinnlicher nicht sein könnte. Auch "Solsbury Hill" darf natürlich nicht fehlen. Und wer wäre dafür besser geeignet als Lou Reed? Immerhin kennt dieser Mann die Musikgeschichte wie seine Westentasche und kann somit ganz gezielt die Struktur des Originals durch interessante Elemente aus dem Progressive Rock erweitern und aufbrechen. Herrlich unkonventionell und erfrischend, bevor Sir Paul Simon mit einem sehr klassisch inszenierten "Biko" das Album schließt.


"Eine Hand wäscht die andere."

Nichts anderes bedeutet "Scratch my back and I'll scratch yours", der fusionierte Titel der beiden Platten, von denen hier die Rede war. Und wie schön es sein kann, wenn man sich gegenseitig den Rücken oder auch das Trommelfell kratzt und streichelt, haben dabei zahlreiche geniale Musiker auf imposante Art und Weise gezeigt. Wir verbeugen uns vor diesem grandiosen Projekt!



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